14.05.2025
14.05.2025
Angesichts der rasanten technologischen Entwicklungen erfahren Juristinnen und Juristen eine tiefgreifende Transformation, die nicht nur das Arbeitsumfeld, sondern auch die Anforderungen und Erwartungen an ihre Arbeitsorganisation und Arbeitsweise verändern. Gemeinsam mit über fünfzig Autorinnen und Autoren setzen sich die Herausgeber des Handbuchs Die Zukunft der Rechtsberatung Dr. Daniel Halft und Dr. Alexander Steinbrecher, mit den Herausforderungen und Chancen auseinander, denen die Branche gegenübersteht. Sie ermutigen dazu, diese Transformation nicht nur passiv zu verfolgen, sondern aktiv zu gestalten.
Für Halft und Steinbrecher ist Legal Tech, also der Einsatz von Technologie in der Rechtsberatung, nur die Spitze des Eisbergs. Sie sehen vor allem im Einsatz generativer Künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere von Large Language Models (LLMs), ein enormes Veränderungs- und Verbesserungspotenzial für die Praxis. »Es ist natürlich schwierig, sämtliche zukünftigen Anwendungsfälle vorherzusagen,« so Dr. Daniel Halft, »aber es gibt schon heute konkrete Einsatzmöglichkeiten, die mir auf Grund meiner Erfahrung und Beobachtung der Entwicklung generativer KI besonders naheliegend erscheinen.«
In ihrem Handbuch teilen die beiden Herausgeber ihre Visionen für den Einsatz von Innovation, Digitalisierung und Automatisierung in verschiedensten Bereichen der Rechtsberatung:
VISION GESETZGEBUNG
LLMs können bereits in naher Zukunft eine zentrale Rolle in der Gesetzgebung spielen, indem sie bestehende Normen und Entwürfe systematisch analysieren, Rechtslücken identifizieren und auch gleich Vorschläge zu deren Schließung unterbreiten. Besonders interessant wäre dies in Bereichen mit dynamischer Regulierung, wie dem Umwelt- oder Technologierecht.
Large Language Models könnten zudem Gesetzesentwürfe basierend auf politischen oder rechtlichen Vorgaben verfassen. Deren Formulierungen wären nicht nur juristisch präzise, sondern auch kohärent und fehlerfrei, was die Effizienz des Gesetzgebungsprozesses erheblich steigern würde. Mit Hilfe von LLMs wäre es zudem möglich, simulationsbasierte Vorhersagen über die Auswirkungen neuer Rechtsnormen zu treffen.
VISION RECHTSPRECHUNG
Im Bereich der Rechtsprechung wären LLMs in der Lage, die Justiz zu entlasten. Die KI könnte Streitstände zusammenfassen, relevante oder ähnliche Urteile identifizieren und deren Implikationen für aktuelle Verfahren bewerten. Richterinnen und Richtern stünde so eine umfassendere Informationsbasis zur Verfügung. Large Language Models könnten zudem als Ausgangspunkt für die Rechtsprechung strukturierte Urteilsentwürfe erstellen und die Qualität der Urteilsbegründung erhöhen, indem sie verschiedene Argumentationslinien vorschlagen, widerlegen und fortentwickeln.
VISION RECHTSASSISTENT
Halft und Steinbrecher sehen großes Potenzial im Bereich von KI-gestützten ›Rechtsassistenten‹. Was wir heute bereits als Chatbots kennen, könnte in Zukunft ausgebaut werden, so dass eine integrierte Sachverhalts- und Datenanalyse individuelle Risiken und Bedürfnisse auswertet und praktisch umsetzbare Handlungsempfehlungen geben kann. Diese technologieunterstützte Beratung wäre jederzeit verfügbar, was den Zugang zum Recht vereinfacht und beschleunigt. Auch die Kosten der Rechtsberatung insbesondere für Mandanten, die sich Rechtsberatung nach Zeitaufwand nicht (mehr) leisten wollen oder können, würden reduziert. Bei Kanzleien könnte zudem ein Teil der Mandatsarbeit technisch unterstützt werden.
VISION DOKUMENTENBEARBEITUNG
Denkbar ist auch eine automatisierte Dokumentenerstellung, -prüfung und -anpassung durch LLMs, die beispielsweise Verträge und Vertragsklauseln dynamisch an regulatorische Änderungen oder individuelle Bedürfnisse anpassen können. Verträge könnten so immer auf dem neuesten Stand gehalten werden, insbesondere bei langfristigen Vereinbarungen. Schon heute kommen KI-Systeme bei der Vertragsprüfung und -erstellung zum Einsatz, die standardisierte Verträge in Sekundenschnelle erstellen, Risiken und Unstimmigkeiten identifizieren und reduzieren.
VISION RECHTSBERATUNG
LLMs können außerdem eine vorausschauende Rechtsberatung ermöglichen, indem sie potenzielle rechtliche Risiken frühzeitig erkennen und Vorhersagen über Vertragsverletzungen und daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten treffen. Rechtsabteilungen in Unternehmen wäre es somit möglich, frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten, sollte die KI aufgrund der Analyse interner Daten und externer Marktinformationen vor regulatorischen Herausforderungen warnen, wodurch sich Bußgelder, rechtliche Sanktionen oder Reputationsschäden vermeiden ließen.
VISION VERTRAGSMANAGEMENT
Für Halft und Steinbrecher gehören zu den weiteren möglichen Einsatzgebieten die Analyse und Bewertung von Unternehmens-Compliance sowie das Contract Lifecycle Management. LLMs könnten den gesamten Lebenszyklus eines Vertrags überwachen und proaktiv an wichtige Fristen und Verpflichtungen erinnern. Die Fähigkeit der KI, große Mengen an Dokumenten schnell und präzise zu analysieren, ermöglicht es ihr zudem, die Einhaltung rechtlicher Vorschriften in Echtzeit zu überwachen und so Unternehmen dabei zu helfen, regulatorische Anforderungen proaktiv und effizient zu erfüllen, indem sie Abweichungen sofort erkennt und meldet.
VISION DUE-DILIGENCE
Bei Unternehmensverkäufen und Fusionen könnten künftig LLMs den Due-Diligence-Prozess automatisieren. Steinbrecher kann sich zudem Online-Streitbeilegungsplattformen vorstellen, in die LLMs integriert werden, um unterschiedliche Verfahren anzuwenden und Lösungsvorschläge für Konflikte zu finden. »Da sie eine schnelle, kostengünstige und neutrale Vermittlungsinstanz darstellen, liegt hier ein erhebliches Potenzial insbesondere in Verbraucherangelegenheiten,« erläutert der Mitherausgeber die Vorteile.
Für die Zukunft verspricht die Integration von LLMs in die Rechtsberatung erhebliche Effizienzsteigerungen, Kostensenkungen und eine bessere Zugänglichkeit und Qualität juristischer Dienstleistungen, so die Herausgeber. Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Technologie weiterentwickelt und den Rechtsmarkt transformieren wird.
Halft / Steinbrecher
Die Zukunft der Rechtsberatung
2025
Hardcover ca. € 119,–
ISBN 978-3-406-80355-0
Neu im Juli 2025
Dieser Beitrag erschien zuerst in beck-aktuell - DAS MAGAZIN. Sie können unser Kundenmagazin kostenlos abonnieren.