28.05.2025
Sabine Schlacke ist Professorin für Öffentliches Recht, insbesondere Verwaltungs- und Umweltrecht, sowie Direktorin des Instituts für Energie-, Umwelt- und Seerecht an der Universität Greifswald. Ihr Forschungsschwerpunkt ist u.a. das internationale, europäische und deutsche Klimaschutzrecht.
Jörg Wagner ist Leiter der Unterabteilung Stadtentwicklungspolitik im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
28.05.2025
Die Auswirkungen des Klimawandels sind in unseren Städten und Gemeinden immer deutlicher spürbar. Starkregenereignisse und Hochwasser stellen die Kommunen vor eine immense Herausforderung. Auch langanhaltende Hitze und Trockenheit führen zu gravierenden Folgewirkungen. Dabei ist zu bedenken, dass Städte und Gemeinden nicht nur Betroffene der Klimawandelfolgen sind, sondern auch maßgeblicher Treiber des Klimawandels.
Über rechtliche Möglichkeiten bzw. Verpflichtungen beim Klimaschutz in Städten und Gemeinden sprachen wir mit Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke und Herrn Dr. Jörg Wagner. Beide sind Herausgeber des Handbuchs »Klimarecht für Städte und Gemeinden« in der neuen, bei C.H.BECK erscheinenden Reihe »Recht der Städte und Gemeinden«.
Welche Herausforderungen stellt der Klimawandel für Städte und Gemeinden dar?
Schlacke: In Europa wurde 2024 der heißeste Sommer verzeichnet, gefolgt vom Sommer 2022. Wir erinnern uns auch noch an die Dürre im Jahr 2018: Lokal musste das Wasser in Städten teilweise rationiert werden. Es kam zu Waldbränden. Zudem kommt es nach mehr als zwei heißen Tagen mit Temperaturen über 30 Grad verstärkt zu Frühgeburten. Auch für alte Menschen sind diese anhaltenden hohen Temperaturen im Sommer gefährlich.
Wagner: Zugleich waren kleinere Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren wiederholt von sintflutartigen Starkregen betroffen. Wenn wir allein auf das vergangene Jahr zurückschauen, begann es mit der Hochwasserkatastrophe in Norddeutschland, gefolgt vom Pfingsthochwasser im Saarland und Rheinland-Pfalz im Mai, Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg im Juni sowie Hochwasser im September in Brandenburg. Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel sind daher nicht nur ein Thema für Umweltschützer. Es geht vielmehr um die Abwehr von Gefahren für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie um Gesundheitsschutz auf der kommunalen Ebene.
Inwiefern sind Städte und Gemeinden gleichzeitig Treiber des Klimawandels?
Wagner: Städte und Gemeinden verursachen 75 % der globalen Treibhausgase, in Städten wohnen derzeit 57 % der Weltbevölkerung, 2030 werden es 60 % sein. Schon deshalb sind Städte und Gemeinden auch in Deutschland maßgebliche Treiber des Klimawandels. Unser städtisches System beruht bislang auf der Nutzung fossiler Energien. Das beginnt bei der Wärme für Gebäude, geht über die Stromerzeugung bis hin zum Straßenverkehr. All das führt zu einem enormen fossilen Fußabdruck. Ob die internationalen, europäischen und nationalen Klimaziele erreicht werden, hängt also maßgeblich davon ab, ob die städtischen Systeme klimaneutral transformiert werden. Wegen der damit verbundenen hohen Kosten kommt der Umbau zu treibhausgasneutralen Städten und Gemeinden nur sehr langsam voran. Hier wollen wir mit dem Handbuch Hilfestellung geben.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Städte und Gemeinden, um Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen zu ergreifen?
Schlacke: Zwischen Klimaschutzmaßnahmen und Klimaanpassungsmaßnahmen ist zu unterscheiden. Rechtliche Vorgaben für Klimaschutzmaßnahmen werden vorrangig von der Europäischen Union und dem Bund erlassen; hier haben kommunale Maßnahmen allerdings eine wichtige flankierende Funktion. Denken Sie an die Einführung des Brennstoffemissionshandels im Verkehrs- und Gebäudesektor, der schon jetzt bundesweit gilt und ab 2027 auch europaweit Geltung erlangt. Oder an das Bundes-Klimaschutzgesetz, das von jeder Bundesregierung verlangt, ein Klimaschutzprogramm innerhalb eines Jahres nach Beginn einer Legislaturperiode zu beschließen, um die Treibhausgasreduktionsziele bis 2030 in verschiedenen Sektoren zu erreichen.
Städte und Gemeinden können mit Maßnahmen an ihren eigenen Gebäuden, durch die Bereitstellung von Ladesäulen für Elektroautos, Unterstützung des ÖPNV und die Errichtung von Mobilitätsstationen, die verschiedene Verkehrsmittel nahtlos miteinander verknüpfen, diese Vorgaben durch aktiven Klimaschutz flankieren. In Bauleitplänen können sie Flächenausweisungen für Windenergieanlagen und Solaranlagen oder für Quartierswärmepumpen vornehmen. Bei der Klimaanpassung sind die Städte und Gemeinden dagegen unmittelbar in der Verantwortung. Die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel und das Bundes-Klimaanpassungsgesetz geben hier zwar Hinweise, das Ergreifen von Maßnahmen und die konkrete Umsetzung liegen aber in den Händen der Städte und Gemeinden.
Was für Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen können das sein?
Wagner: Gegen Hitze wirken etwa das Anpflanzen von Bäumen, das Anlegen kleiner Parks und Grünflächen, aber auch die Bereitstellung von Wasserspendern und kühlen Räumen. Hochwasserschutzmaßnahmen sind die Schaffung von Versickerungs- und Retentionsflächen, von Rückhaltebecken und Deichen. Hinter diesen Maßnahmen stehen städtebauliche Leitbilder wie das der Neuen Leipzig-Charta, der wassersensiblen Stadtentwicklung und der dreifachen Innenentwicklung. Die konkreten Maßnahmen können in Klimaanpassungskonzepten inhaltlich vorgedacht und von der Bauleitplanung verbindlich gesichert werden.
Darüber hinaus spielt sicherlich auch die Raum- und Regionalplanung eine wichtige Rolle?
Schlacke: Die Raum- und Regionalplanung kann die für die Erzeugung von Anlagen für erneuerbare Energien benötigten weiträumigen Flächen planerisch sichern, ebenso die Trassen für überregionale Stromnetze. Sie kann auch die multifunktionale Nutzung von Flächen für Wind- und Solarenergieanlagen vorschreiben, um Flächen zu sparen. Darüber hinaus kann sie auch Flächen zur Gewährleistung eines natürlichen Klimaschutzes ausweisen: So ist es zum Stopp von CO2-Emissionen und zur Erreichung von Zielen für natürliche Kohlenstoffspeicher nach dem Klimaschutzgesetz erforderlich, trockengelegte Moorstandorte wieder zu vernässen, damit sie als Senken Kohlenstoff dauerhaft speichern. Dies kann auch mit Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz und zur Vorsorge gegen Überflutungen, etwa durch Ausweisung von Retentionsflächen, verknüpft werden.
Wie steht es um die gesetzlichen Vorgaben im Gebäudebereich oder auch beim Verkehr?
Wagner: Das Gebäudeenergiegesetz und Wärmeplanungsgesetz zielen darauf ab, den Gebäudebereich in Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral zu beheizen. Für den Gebäudebereich hat der Bundesgesetzgeber in der vorigen Legislaturperiode das Gebäudeenergiegesetz überarbeitet, welches europäisches Recht aufgreift. Ob die neue Bundesregierung hieran nochmals Änderungen vornehmen will, ist nach den Ankündigungen wohl anzunehmen. Parallel hat der Bund die Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung eingeführt, damit die Gebäudeeigentümer auf der Grundlage der Wärmepläne entscheiden können, ob sie an eine zentrale Wärmeleitung angeschlossen werden können oder es künftig einer dezentralen Wärmepumpe bedarf. Über die Bebauungsplanung werden die Wärmepläne verbindlich.
Schlacke: Für die kommunale Verkehrssteuerung können Städte und Gemeinden kommunale Mobilitätskonzepte entwickeln, die ebenfalls von der Bauleitplanung aufzugreifen sind. Das Straßenverkehrsgesetz wurde ergänzt, um den Kommunen mehr Möglichkeiten zu geben, städtebauliche und klimaschützende Aspekte in die Stadt- und Verkehrsplanung zu integrieren.
Welche Bedeutung kommt beim kommunalen Klimaschutz dem Vergabewesen zu?
Schlacke: Städte und Gemeinden beteiligen sich unmittelbar am Wirtschaftsleben, indem sie etwa Stadtwerke und Verkehrsbetriebe oder aber Krankenhäuser und IT-Zentren betreiben. Im Rahmen der vielfältigen Auftragsvergaben an private Dienstleister können sie ihrer Vorbildfunktion dadurch gerecht werden, dass sie klimaschützende Gesichtspunkte mit in ihre Vergabebewertungen einfließen lassen und bereits im Vorfeld ihrer Vergabeentscheidungen Aspekte des Klimaschutzes zu relevanten Vergabekriterien machen.
Wie können Städte und Gemeinden mit ihren unmittelbaren wirtschaftlichen Aktivitäten zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen?
Wagner: Städte können selbst zu Erzeugern von erneuerbaren Energien werden, indem sie sich an Windparks auf ihrem Gemeindegebiet gesellschaftlich beteiligen oder indem sie die Abwärme ihrer Müllverbrennungs- und Kläranlagen oder ihrer IT-Zentren den lokalen Wärmenetzbetreibern zur Verfügung stellen.
Sie deuteten eingangs bereits an: Die genannten Maßnahmen kosten eine Menge Geld. Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für kommunale Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen?
Wagner: Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen der Städte und Gemeinden werden von der überwiegenden Anzahl der Länder bislang als freiwillige Aufgaben angesehen. Diese Unterscheidung von den kommunalen Pflichtaufgaben ist indes zentral für die Frage ihrer Finanzierung. Nur freiwillige Aufgaben können von EU, Bund und Ländern gefördert werden, Pflichtaufgaben sind hingegen über Zahlungen der Länder an die Kommunen zu finanzieren. Einzelne Länder regeln den kommunalen Klimaschutz dennoch mittlerweile als Pflichtaufgabe und sehen auch entsprechende Zahlungen an die Kommunen vor.
Damit ist ein erster Anstoß gegeben, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel auf kommunaler Ebene flächendeckend zu betreiben. Ebenso wurden die Wärmeplanung und die Erstellung von Klimaanpassungskonzepten vom Bundesgesetzgeber als Pflichtaufgaben der Länder ausgestaltet, mit der Erwartung, dass diese Verpflichtungen nun an die Kommunen weitergegeben werden. Soweit die Kommunen Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel als freiwillige Aufgaben betreiben, gibt es eine Vielzahl an Förderprogrammen in Bund und Ländern für unterschiedlichste Zwecke wie die Städtebauförderung des Städtebauministeriums, die Kommunalrichtlinie des Wirtschaftsministeriums und das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz des Umweltministeriums.
Falls doch einmal etwas anders läuft als geplant: Welche Rechtsschutzkonstellationen sind im Bereich des kommunalen Klimarechts besonders relevant?
Schlacke: So vielfältig wie die Maßnahmen der Kommunen im Klimarecht sind, so unterschiedlich sind die damit verbundenen Rechtsschutzkonstellationen. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Kommune, die die Bürgerinnen und Bürger zu einem klimafreundlichen Handeln veranlassen, sprich anreizen, will und der Kommune, von der die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass sie Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel ergreift, etwa ein Wärmenetz oder ein Starkregenrückhaltebecken zu bauen. Neben den verwaltungsgerichtlichen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen gibt es Normenkontrollklagen gegen Bebauungspläne, darüber hinaus Verbandsklagen und Verfassungsklagen auf mehr Klimaschutz. Das Handbuch gibt hierzu einen umfassenden Überblick mit Beispielen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Schlacke/Wagner
Klimarecht
2025. Rund 725 Seiten.
Gebunden ca. € 119,–
ISBN 978-3-406-81985-8
Neu im Juli 2025
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