03.08.2020
03.08.2020
Können Mitarbeiter aus der Mitter heraus ein Unternehmen wirklich verändern? Sabine und Alexander Kluge beantworten diese Frage in ihrem Buch „Graswurzelinitiativen in Unternehmen: Ohne Auftrag – mit Erfolg!“ eindeutig mit ja. München, den 03. August 2020 – Selbstorganisierte Mitarbeiter können einiges bewegen. Denn diese sogenannten Graswurzelinitiativen sind mehr als ein kurzer, einmaliger Impuls. Sie haben das Potential nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Im Interview geben die Autoren einen ersten Einblick, wie so eine Initiative funktioniert.
Was hat Sie persönlich motiviert, dieses Buch zu schreiben?
Sabine Kluge: Ich habe ja selbst viele Jahre in einem traditionell geführten Konzern gearbeitet, in dem Veränderungsbemühungen – ebenso traditionell – mehr oder weniger ausschließlich von der Unternehmensleitung aus initiiert wurden. Und ich habe selbst miterlebt, dass Menschen vor einigen Jahren begannen, zunehmend mehr Veränderungen in ihrem Umfeld auch ohne Auftrag, ohne Budget und mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein voran zu treiben. Motiviert waren und sind diese Pioniere meist durch die tiefe Überzeugung, ihr Unternehmen mitgestalten zu wollen. Ein Phänomen, das wir aus früheren Zeiten gar nicht kennen. Und natürlich unterstützen und beschleunigen interne Soziale Netzwerke, mit denen wir uns wiederum schon seit einigen Jahren beschäftigen diese Entwicklung.
Das klingt ja so, als ob der digitale Wandel ganz selbständig und selbstverständlich den kulturellen Wandel treibt: Ist das so und wie kann man sich das vorstellen?
Alexander Kluge: Ja, mit Bezug auf Vernetzungstechnologien ist dieses Bild ganz richtig! Die technische Möglichkeit, dass Menschen sich vernetzen können, ist sicher eine der zentralen Grundlagen für kulturelle Veränderungen. Ich unterstütze Unternehmen ja bereits seit den 90ern in ihrem Vorhaben, Vernetzung im Unternehmen zu ermöglichen. Im Ursprung ging es dabei allerdings darum, das im Unternehmen vorhandene Wissen zu poolen und für alle nutzbar zu machen. Also eine klassische „Top-Down“ Initiative, wenn man so will. Das hat sich heute insofern verselbständigt, dass Mitarbeitende eben auf diese Weise auch vollkommen selbstorganisiert an Informationen kommen, Informationen zur Verfügung stellen können – und beispielsweise im Sinne einer Graswurzelinitiative – Mitstreiter für ihre Ideen finden, sich schnell organisieren und damit auch schnell und wirksam kommunizieren und agieren können.
Aber dazu braucht es doch nicht nur die technische Plattform eines internen Sozialen Netzwerks, oder? Sind den Mitarbeitende in traditionellen Unternehmen heute so mutig, sich jenseits ihrer eigentlichen Aufgabe ihre Themen selbst zu suchen?
SK: Wir erleben Mitarbeitende heute vielfach auf der Suche nach Sinn und nach Werten, und ja, da wächst zunehmend das Selbstbewusstsein in Organisationen heran, die Geschicke des Unternehmens, seine Zukunft mitgestalten zu wollen. Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten hierzulande eine beispiellose Sozialisation hin zu mehr Demokratie und Partizipation erlebt. Und was wir aus dem gesellschaftlichen Umfeld kennen, macht vor Unternehmensgrenzen keinen Halt: Mitarbeitende sind zunehmend weniger kompromissbereit und bisweilen bereit, hohe Risiken einzugehen, um ein Unternehmen zu IHREM Unternehmen zu machen.
Im Titel heißt es ja: „Ohne Auftrag – mit Erfolg!“ Bedeutet das, dass es Mitarbeitenden in Unternehmen tatsächlich mit einer Graswurzelinitiative gelingen kann, den künftigen Kurs mitzubestimmen?
AK: Wir haben über den Begriff des Erfolgs im Zusammenspiel mit Graswurzelinitiativen lange nachgedacht. In der traditionellen Unternehmenswelt bedeutet Erfolg, wir können anhand von Zahlen, Daten und Fakten nachweisen, dass die Anstrengung sich in barer Münze niederschlägt. Wir haben uns hiervon im Falle unserer Akteure gänzlich verabschiedet. Wir befinden uns in Organisationen ja im Übergang von sehr traditionellen, kontrollbasierten und führungszentrierten Strukturen hin zu mehr Autonomie, mehr Selbstwirksamkeit des Einzelnen. Und für uns gilt bereits die bekanntlich gigantische Anstrengung, sich jenseits des eigenen Tellerrandes für ein Thema zu engagieren und einige Bewegung zu erzeugen, als großer Erfolg. In der Tat schreiben wir auch über Akteure, denen es gelungen ist, mit ihrer Initiative in den Regelbetrieb der Organisation einzugreifen. Aber auch jene, die sich im Sinne ihrer Werte und Ideen in den Wind stellen und so die Organisation konstruktiv irritieren, weil sie auf offenkundig notwendigen Handlungsbedarf hinweisen, sind aus unserer Sicht erfolgreiche, mutige, und im Sinne von Rollenmodellen wirksame Pioniere.
Das muss aber doch für Führungskräfte, die die Verantwortung für den Unternehmenserfolg tragen, schwierig sein, mit solcherlei unkontrollierten Aktivitäten umzugehen?
AK: Auch hier hat sich kulturell in Unternehmen schon viel geändert. Die Erkenntnis, dass Menschen Freiräume brauchen, um kreativ, innovativ und letzten Endes damit im Sinne des Unternehmens auch produktiv zu sein, ist mittlerweile bereits in viele Führungskonzepte eingeflossen. Die Führungskraft steht nicht mehr in der Verantwortung, die Lösung zu bringen, sondern kann und darf sich darauf fokussieren, den Dialog im Sinne der Weiterentwicklung der Organisation lebendig zu erhalten. In diese zeitgemäße Auffassung von Führungsarbeit passen solcherlei selbstorganisierte Initiativen sehr gut – ein Lernprozess für alle Beteiligten.
Welche wichtigen Tipps haben Sie für Menschen, die Handlungsbedarf in ihrer Organisation identifizieren und sich auf eigene Faust auf den Weg machen wollen?
SK: Für die mutigen Anstifter und Akteure haben wir in unserem Buch eine ganze Reihe von Empfehlungen. Aber so viel kann ich verraten: Idee gut ausformulieren, nicht lange allein bleiben, Mitstreiter finden, in den konstruktiven, auch kontroversen Dialog gehen um herauszufinden, ob das Thema auf breiterer Front als Handlungspotential erkannt wird. Und so lange unter dem Radar bleiben, bis eine erkennbar kritische, maximal diverse Gruppe die Überzeugung teilt. Es gibt sonst die Gefahr, als einsamer Graszüchter abgestempelt zu werden, daher ist diese diskrete Kalibrierungsphase so wichtig. Und irgendwann gibt es den richtigen Zeitpunkt, aus der Deckung zu kommen; am besten mit einem einflussreichen Paten an der Seite, denn das haben wir in unserer Analyse deutlich verstanden: Ohne „Licht von oben“ stirbt jede Graswurzelinitiative irgendwann.
Sabine Kluge u. Alexander Kluge,
Graswurzelinitiativen in Unternehmen: Ohne Auftrag – mit Erfolg!
Verlag Franz Vahlen, München, 2020,
239 Seiten, Klappenbroschur, € 23,90 [D],
ISBN 978-3-8006-6370-5
Zum Abdruck frei. Belegexemplare erwünscht.
Gerne vermitteln wir für Interviews den Kontakt zu den Autoren.
Für Verlosungsaktionen stellen wir Exemplare des Titels zur Verfügung.