15.10.2023
15.10.2023
In „The Real Book of Work” räumen die Autorinnen Christina Grubendorfer und Christina Ackermann mit diversen Mythen rund um Arbeit, Führung und Organisationen auf. In ihrem Aufklärungsbuch für Führungskräfte nehmen sie Ansätze und Konzepte wie Agilität, Mindset, Hierarchie, Eigenverantwortung oder Kulturtransformation unter die Lupe - und natürlich auch New Work.
New Work is all around us …
New Work ist ein Containerbegriff für so Vieles, das anders gemacht werden soll in unserer Arbeitswelt. Es steht für eine neue andere Art und Weise, die Zusammenarbeit in Unternehmen zu organisieren, für einen neuen anderen Anspruch an die Attraktivität eines Arbeitgebers, für neue andere Ansprüche der Arbeitnehmer an einen Arbeitsplatz, für neue andere Phänomene in unserer Gesellschaft, was das Arbeitsleben insgesamt angeht.
New Work ist zwar in aller Munde, doch dadurch ist der Begriff auch verwässert. Vertreter von „echter“ New Work wissen mittlerweile oft nicht, ob sie nun lachen oder weinen sollen. Denn einerseits ist es aus ihrer Sicht großartig, dass New Work so stark auf dem Vormarsch ist, andererseits sehen sie, dass Unternehmen es für ihre unternehmerischen Zwecke „missbrauchen“ und fragen sich, warum die meisten Führungskräfte in Konzernen immer noch der Meinung sind, ein paar bunte Post-its im Workshop zu nutzen, sei New Work.
New Work dient den Unternehmen scheinbar vor allem als Recruiting- und Bindungsinstrument. Für viele Unternehmen ist es opportun, New Work für ihre unternehmerischen Zwecke zu instrumentalisieren. Das zeigt sich daran, dass die Reduktion von Büroflächen als New-Work-Projekt verkauft wird, weil sich das schicker anhört, als einfach zu sagen, dass sich nach der Pandemie nur noch ein Bruchteil der Leute dazu bewegen lässt, ins Büro zu kommen und es deshalb auch gar keinen Sinn mehr macht, das komplette Gebäude zu mieten. Es dient eher ihrer Schauseite, als dass sie ihre grundlegenden Strukturen angehen wollten. Dabei war New Work zu höheren Zwecken angetreten, zu einer radikalen Veränderung der Arbeitswelt. New Work wollte die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen und nicht im Hier und Jetzt profane Probleme lösen. Auch Bergmann kritisierte kurz vor seinem Tod im Jahr 2021 die Stilblüten (Hunde dürfen endlich mit ins Büro), die mit Berufung auf seine Idee, „New Work“ getauft wurden. Sie könnten maximal in die Kategorie eingeordnet werden, die Arbeit für den Einzelnen ein bisschen netter und erträglicher zu machen.
New Work produziert Sinnkrisen
Sinn in der Arbeit zu erleben, wurde durch die New-Work-Bewegung zum Muss. Die Frage nach dem eigenen Wollen stürzt heute Massen von Berufseinsteigern in die persönliche Krise. Eine Arbeit zu finden, die sinnvoll erscheint, das ist gar nicht so einfach. Coaches haben alle Hände voll damit zu tun, nicht nur junge Menschen bei der Beantwortung der Frage, was sie wirklich, wirklich tun wollen, zu unterstützen. Es gibt dafür mittlerweile sogar ausgewiesene Sinn-Coaches. Vielen jungen Menschen gelingt vor lauter Selbstfindungsdruck erst gar nicht der Start ins Berufsleben. Sie geben auf, bevor sie es versucht haben.
Der Anspruch geht noch weiter. Mittlerweile heißt „New Work zu machen“ nicht mehr nur, einfach eine Arbeit zu finden, die man wirklich tun will. New Work gibt auch Hinweise, was ein akzeptabler Arbeitsplatz ist und was auch nicht. Es muss deshalb ein Arbeitsplatz gefunden werden in einem Unternehmen, das sinnstiftend ausgerichtet ist. Das heißt, es kommt nun auch noch die Herausforderung hinzu, sich für ein Unternehmen bzw. besser für eine andere Art von Organisation zu entscheiden, die einen akzeptablen Purpose verfolgt. Im Idealfall handelt es sich um eine „purpose-driven-organization“, eine Organisation, die sich darauf ausrichtet, die Umwelt zu schützen, das Klima zu retten und die positive Entwicklung unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zu fördern. Doch selbst das reicht noch nicht aus. Die Organisation muss Arbeit bestenfalls auch anders als konventionelle Organisationen organisieren und zumindest so etwas wie Kanban-Boards verwenden bei der Planung ihrer Tätigkeiten, noch besser aber eine völlig selbstorganisierte, auf Eigenverantwortung und Partizipation setzende Zusammenarbeit anbieten. Das kann anstrengend werden, so ein Unternehmen zu finden.
Doch gerade dadurch wird der ursprüngliche Gedanke, den Menschen zu stärken, ab absurdum geführt. Der Mensch entpflichtet sich davon, den Sinn in seinem eigenen Leben zu finden, wenn er diese Verantwortung nun auf Organisationen überträgt, die ihm durch seine Mitarbeit einen Sinn geben. Der Mensch wird bedeutungsloser statt bedeutungsvoller.
Wir müssen wieder beginnen zu unterscheiden
Um das “Problem” mit New Work zu lösen, sollten wir wieder lernen zu unterscheiden: Zwischen der Utopie New Work, den aktuell in der Arbeitswelt zu beobachtenden Veränderungen und der transformationalen Arbeit an Organisationen. Statt für alle diese Kategorien (Ist, Soll und Lösungsweg) den Begriff New Work zu benutzen und sich damit in alle nur denkbaren Zirkelschlüsse zu verrennen, können uns bewusst gewählte Bezeichnungen und Unterscheidungen dabei helfen, wieder nutzbare Informationen zu erzeugen. Denn Informationen entstehen durch Unterschiede und nicht durch Gleichmachung.
Wenn wir etwas bewirken möchten - wenn wir Organisationen in die Zukunft führen möchten, dann brauchen wir Unterschiede, auf die wir uns beziehen können. Das bedeutet allerdings nicht weniger, als dass wir unsere Denk- und Sprechgewohnheiten ändern müssen, zumindest im Hinblick auf Organisationen.
Tipps für Führungskräfte
Christina Grubendorfer / Christina Ackermann
The Real Book of Work
Verlag Franz Vahlen, München
2023, 368 Seiten, Klappenbroschur
€ 29,80 [D], ISBN 978-3-8006-7154-0
Zum Abdruck frei. Belegexemplare erwünscht.
Gerne vermitteln wir für Interviews den Kontakt.
Für Verlosungsaktionen stellen wir Exemplare des Buches zur Verfügung.
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